In der Gründerzeit hat sich Wien zu einer internationalen Metropole entwickelt. Die Epoche unterteilt sich in Frühgründerzeit (1840-1870), Hochgründerzeit (1870-1890) und Spätgründerzeit (1890-1918). Die Immomarie erklärt, wie und warum sich das Zinshaus in dieser Zeit entwickelte und welche Unterschiede es bei den einzelnen Zinshäusern gab.
Ab 1840 wurden vor allem in den Vorstädten vermehrt Zinshäuser gebaut. Die Bautätigkeit in der Stadt begann erst mit dem Fall der Basteien in den 1850er Jahren.
Anfangs wurde hauptsächlich auf langen rechteckigen Parzellen gebaut, die mit der Zeit aber immer quadratischer wurden. Darauf entstanden die sogenannten Straßentrakter mit einer eher geringen Bauhöhe. Im Innenraum wurden dicht aneinander gereiht Zimmer-Küche- und Zimmer-Küche-Kabinett-Einheiten entlang eines Ganges geschaffen, um den Wohnraum möglichst gut zu nutzen.
Durch das schnelle Bevölkerungswachstum entstanden vor allem in den Vorstädten zahlreiche Massenzinshäuser. Dort war ab etwa 1840 eine bis zu vier Stockwerken hohe Bebauung möglich. Charakteristisch für diese Zinshäuser waren die schmuckarmen Fassaden, die sich zu relativ einheitlichen „Straßenwänden“ zusammengeschlossen haben. Einzig im ersten Wiener Bezirk war die Einwohnerzahl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rückläufig. Hier diente die intensive Bautätigkeit nicht der Schaffung von Wohnraum, sondern hatte rein repräsentative Zwecke.
Mit dem Beginn der Hochgründerzeit hat sich auch der stilistische Anspruch an die Zinshäuser verändert. Durch die neuen Monumentalbauten der Wiener Ringstraße wurden die Formen der staatlichen Repräsentation auch von privaten Bauherren übernommen. Im Inneren waren die Zinshäuser aber nach wie vor sehr einfach und einheitlich gestaltet und organisiert. Die Individualisierung nach Außen war weitaus wichtiger. Stilistische Mittel dafür waren eine starke Gliederung der Baukörper, plastisches Dekor und die Verbindung mehrerer Geschoße durch vorgeblendete Säulen. Dieser Fassadenschmuck ist typisch für das Wiener Zinshaus.
Die Fassade repräsentativer Gebäude wurde an den Stil der italienischen Hochrenaissance angelehnt und es entstanden die typischen Wiener Gründerzeit Villen in den noblen Bezirken am Stadtrand. Die Hochgründerzeit war aber nicht nur von Repräsentation geprägt, sondern auch von einer möglichst guten Ausnutzung der begrenzten und teuren Bauplätze.
Zu Beginn der Spätgründerzeit um 1890 wurde der Gürtel angelegt und im Zuge der zweiten Stadterweiterung weitere Vororte eingemeindet.
Die steigenden Bodenpreise waren verantwortlich dafür, dass die Grundfläche so gut wie möglich genutzt werden musste, was allerdings eine Verschlechterung der Wohnqualität zu Folge hatte. Die Haupthöfe wurden zu mehreren kleinen Lichthöfen umgebaut, nachdem die Bauordnung aus dem Jahr 1895 eine Reduktion der Höfe auf 15 Prozent erlaubte. Nebenräume und innenliegende Kabinette wurden um diese Lichthöfe angeordnet.
Typisch für das Zinshaus der Spätgründerzeit waren die sogenannten Doppeltrakter auf tieferen Parzellen. In den Vororten gab es außerdem viele Straßentrakter und in der Innenstadt entstanden immer mehr Zinshäuser mit einem Straßenhof, also einem zurückversetzten Mittelteil, ähnlich wie ein barocker Ehrenhof. Die Formen des heimischen Barock bekamen wieder mehr Bedeutung, wobei die klassischen Barockelemente mit denen des Jugendstils, der sich um die Jahrhundertwende entwickelt hatte, kombiniert wurden.
Die Ausstattung im Inneren der Gründerzeit Zinshäuser war weitgehende unabhängig von der Fassadengestaltung und unterschied sich von Zinshaus zu Zinshaus stark. Vor allem die Größe der Wohnungen, die Belichtung und die sanitäre und technische Ausstattung war sehr unterschiedlich.
Nobelmietshäuser wurden vor allem in der Innenstadt, an der Ringstraße und an den repräsentativen Ausfallsstraßen der inneren Bezirke gebaut. Sie haben nicht nur eine prächtige Fassade, sondern auch schön ausgestatte Foyers und Stiegenhäuser.
Bürgerliche Zinshäuser finden sich vor allem in den Vorstädten. Die meisten Wohnungen sind direkt durch das Stiegenhaus und ohne lange Gänge erschlossen, sodass es in jedem Stockwerk nur wenige Wohnungen gab. In der Spätgründerzeit waren die Wohnungen bereits mit Sanitärräumen ausgestattet.
Arbeitermietshäuser hatten meist sehr kleine Wohneinheiten (ab 25 Quadratmetern), die durch lange Gänge, die als Pawlatschen bezeichnet wurden, erschlossen wurden. Vom Gang aus gelangte man direkt in die Küche, dahinter lag meist ein Wohnraum. Wasserversorgung und Sanitärräume waren in jedem Geschoß am Gang, in vielen Häusern zu Beginn nur im Parterre.
Erfahren Sie in den Immomarie-News mehr darüber, was ein Zinshaus ist und wie das Wiener Zinshaus entstanden ist!