Die sogenannte Gründerzeit in den Jahren zwischen 1840 und dem Ersten Weltkrieg war entscheidend für das Wiener Zinshaus, welches heute noch das Stadtbild prägt. Erfahren Sie hier mehr über die geschichtlichen Hintergründe, die zum Bau der ersten Wiener Zinshäuser geführt haben, und wie ein typisches Gründerzeithaus in Wien ausgesehen hat.
Die Zeit von 1840 bis zum Ersten Weltkrieg 1914 wird als Gründerzeit bezeichnet. In dieser Zeit hat sich der Wohnbau in Wien besonders stark entwickelt und es entstanden die für Wien so typischen Zinshäuser, die das Stadtbild noch heute prägen und der Stadt ihr besonderes Flair verleihen.
In der Gründerzeit wurden in Wien rund 460.000 neue Wohnungen errichtet. Grund dafür war das enorme Bevölkerungswachstum, das im Zuge der Industrialisierung stattfand. Auf dem Gebiet des heutigen Wiens lebten um 1800 rund 250.000 Menschen, 1910 waren es bereits mehr als zwei Millionen. Nicht nur der enorme Zuzug, sondern auch das Aufbrechen der traditionellen sozialen Bindungen in Großfamilien erhöhte den Bedarf nach leistbarem Wohnraum.
Die Basis für den Wohnhausbau des 19. Jahrhunderts waren Stiftshäuser in der Stadt, die nach der Josephinischen Klosterreform in Wohnraum umgewandelt wurden und eine gewisse Wohnraumreserve boten. Nach dem Muster dieser Klostergebäude – relativ große Bauten mit wenigen Wohneinheiten um Höfe angeordnet und durch diese erschlossen – wurden dann auch die neuen Wohnhausanlagen gebaut. Die Bauherren waren meist adelige Grundherren, die über die notwendigen finanziellen Mittel verfügten.
Die bisherigen Bautätigkeiten konnten mit dem Bevölkerungswachstum allerdings nicht mithalten. In den 1840ern lebten rund 500.000 Menschen in und um Wien. Die schlechten und mangelhaften Wohnverhältnisse waren ein Mitgrund für den Ausbruch der Revolution 1848. 1849 wurde der Wohnhausbau dann steuerlich begünstigt und die 34 Vororte bis zum sogenannten Linienwall (dem heutigen Gürtel) eingemeindet. In diesem Gebiet wurde ein Drittel der Gründerzeit-Zinshäuser erbaut.
Die zweite Eingemeindungswelle 1890 erfasste die westlichen und südlichen Vororte und vergrößerte die Stadtfläche von 55 auf 178 Quadratkilometer. Durch den Ausbau der Massenverkehrsmittel und die verbesserte Mobilität wurde die großflächige Bebauung der Wiener Vororte begünstigt, denn ab 1865 waren die Vororte mit der Straßenbahn bereits gut angebunden. Daher wurden auch in den Bezirken Favoriten, Meidling, Penzing und Währing zahlreiche Zinshäuser errichtet. Ottakring hat heute mit 1.379 die meisten Gründerzeit Zinshäuser Wiens, gefolgt von den Bezirken Rudolfsheim-Fünfhaus mit 1.157 und Landstraße mit 1.122 Häusern.
In der Gründerzeit wurde der Wohnbau auch für das Bürgertum interessant. Damit änderte sich die Gestalt der Häuser. Die Grundstücke, die bisher einen ganzen Straßenblock umfasst haben, wurden aufgeteilt, da sich die bürgerlichen Bauherren keinen ganzen Block leisten konnten. Diese sogenannte „Randblockbebauung“ prägte den Wohnhausbau bis etwa 1918. Die einzelnen Häuser waren dabei völlig unabhängig voneinander und sahen auch anders aus.
Der Bedarf an Wohnraum war gerade bei Arbeiterfamilien so groß, dass die Errichtung von kleinen und vor allem leistbaren Wohnungen gefördert wurde, sofern der hygienische Mindeststandard eingehalten wurde. Zum Beispiel Wasserversorgung auf jedem Stockwerk, die Bassena. Um die Bodenrendite trotzdem zu erhalten, wurde der Bebauungsgrad auf 85 Prozent angehoben und die Höfe wurden zu Lichtschächten reduziert.
Die früheren Gründerzeithäuser in Wien hatten viele Elemente der Antike und waren an den höfischen Stil angelehnt. In der Hochgründerzeit wurden dann die Formen der staatlichen Repräsentation übernommen und der Stil der Zinshäuser an die öffentlichen Monumentalbauten der Wiener Ringstraße angepasst.
Im Inneren waren die Häuser relativ ähnlich gestaltet. Nur die Individualisierung von außen war wirklich wichtig – durch die starke Gliederung der Baukörper, das plastische Dekor und die Verbindung mehrerer Geschoße durch vorgeblendete Säulen an der Fassade. Alle Gestaltungselemente waren industrielle Serienprodukte. Trotz der großen Auswahl entstand durch die großflächige Wiederholung ähnlicher Elemente aber eine gewisse Monotonie an den Fassaden.
Der Fassadenschmuck ist typisch für das Wiener Zinshaus. In keiner anderen europäischen Großstadt wurden die Wohnhäuser so prächtig geschmückt wie in Wien. Allerdings war die Fassadengestaltung relativ unabhängig vom Standard der Häuser. Vor allem die Größe der Wohnungen, die Belichtung und die sanitäre und technische Ausstattung unterschieden sich stark voneinander. Die prächtigen Fassaden sollten über den niedrigen Standard hinwegtäuschen. Wohnungen in ungeschmückten Häusern waren schon damals schwer zu vermieten.
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